U.v.Beckerath, ...

1.2.56.

Ihr Brief vom 18./19.1.1956.

 

      Lieber Herr Dr. Runge,

 

die Hortung von Goldmuenzen ist unter der Bedingung volkswirtschaftlich ungefaehrlich, dass

 

1.) die Glaeubiger, vom Hauswirt bis zum Ziegelei-Arbeiter, kein Anrecht auf Goldmuenzen haben, bzw. von Gesetzeswegen mit "local currency" (ein guter, chinesischer Ausdruck) zufrieden sein muessen, die sie in Laeden ebenso stellt, als wenn sie Goldmuenzen haetten,

 

2.) das Recht zur Schaffung solcher currency nicht eingeschraenkt ist. Falschmuenzerei und andere Arten von Betrug sollen nicht als Schaffung von currency gelten,

 

3.) ein Goldmarkt besteht in dem Sinne, wie das Wort i.J. 1914 verstanden wurde.

Meulen wendet mir immer ein, dass "Goldmark" doch so viel heisse wie: "die Zentralnotenbank ist verpflichtet, ihre Noten on demand gegen Goldmuenzen umzutauschen". Ich habe daraufhin Meulen allerlei Zitate aus englischen Zeitschriften und Zeitungen gegeben, in denen das Wort "gold market" ebenso gebraucht wurde wie i.J. 1914 das Wort "Goldmarkt" im Deutschen. Viel Erfolg habe ich damit nicht gehabt. Wenn ich ihm wieder schreibe, so werde ich die Bezeichnung "free bullion market" anwenden,

 

4.) dass Freiheit der Anwendung bzw. Vereinbarung des Wertmasses mutatis mutandis im gleichen Ausmass besteht, wie die Freiheit der Emission (noch um 1800 in England und in Amerika "right of banking" genannt) bestehen sollte und hie und da wirklich bestanden hat.

 

      Frueher waren diese (*) Bedingungen nicht erfuellt. Bei Professoren und bei Ministern nicht weniger wie beim man of the street bestand auch der Irrtum, dass der Gueteraustausch im wesentlichen nur so geschehen koenne. Haetten die Leute recht gehabt so waeren die vielen versuchten und die getroffenen Massnahmen gegen das Horten von Goldmuenzen volkswirtschaftlich berechtigt gewesen. Die Welt, angefangen mit Deutschland, von den greulichen Irrtuemern in bezug auf Goldmuenzen-Currency und Goldmuenzen als Preismass zu befreien, waere doch ein Unternehmen, wert der darauf verwendeten Muehe. Aber, da haben Sie recht: zur Zeit ist die Buchdruckerkunst fuer die Propaganda einer solchen Aufklaerung nicht erfunden. Machen wir's also wie man's im Altertum mit der Propaganda wichtiger, den Massgebenden aber unbequemer Wahrheiten gemacht hat: Sprechen

wir darueber, wo sich Gelegenheit bietet, und schreiben wir in Briefen darueber, so lange es nicht, wie im Osten, lebensgefaehrlich ist. Die Machthaber im Osten und die sie stuetzenden Fanatiker moegen sich das Wort  Abraham Lincoln's gesagt sein lassen:

      "Man kann einige Menschen auf immer betruegen,

      "man kann auch alle Menschen eine Zeitlang betruegen,

      "man kann aber nicht alle Menschen auf immer betruegen."

 

Sind Christentum, Islam und aehnliche, world-wide movements durch gedruckte Buecher zu ihrer Weltgeltung gelangt???????

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      Sie schreiben ueber den Umlauf bzw. Nicht-Umlauf von Goldmuenzen in Zeiten der Depression und druecken - - handschriftlich - - die Meinung aus, dass da doch Unzutraeglichkeiten bestehen oder entstehen koennten. Welche?????

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      Aus Seite 2 Ihres Briefes entnehme ich, dass Sie die Preise gar nicht senken wollen, sondern dass Sie erwarten, sie werden von selbst sinken. Nun - - die Preise werden das gewiss tun, wenn sie einen Grund dazu finden. Frueher meinte man, die fortschreitende Technik werde die Preise senken, asymptotisch sogar bis auf Null, so dass es zuletzt nicht mehr noetig sein werde, die Gueter zu verkaufen, um so weniger, als dann das Produzieren eine Art vergnueglicher Sport sein werde, aehnlich wie bei unsern Bastlern.

      Ohne Grund aber sinken die Preise - - miner Meinung nach - - nicht. Ich druecke mich hier vorsichtig aus, weil viele Leute, von den Relativitaets-Theoretikern (Einstein folgte ihnen aber hier nicht) beeinflusst, die Gueltigkeit des Kausalitaetsgesetzes bestreiten; sie sagen: den Grund fuer gewisse, von uns vermutete Atombewegungen koennen wir nicht erkennen. Folglich geschehen die Bewegungen grundlos.

Mich erinnert das an eine in der Tuerkei noch nicht vergessene, kleine Geschichte aus der Zeit der Kriege Sultan Soliman's gegen den Malteser-Orden. Eine grosse, tuerkische Armee belagert die Malteser-Ritter. Ununterbrochen kommen von Stambul aus die Proviantschiffe an, die Armee will - - klar - - futtern. Man nahm die Schiffe woher man sie kriegte, auch wenn der Kapitaen seit Jahren immer nur im aegaeischen Meer herumgefahren war. Eines dieses Schiffe wurde also mit Proviant beladen und erhielt den Befehl, schleunigst abzufahren. "Hoeren ist gehorchen" heisst's im Orient, der Kapitaen fuhr also los. Einen Kompass, wie die Giauren, besass er nicht, brauchte auch seiner Meinung nach keinen. Malta konnte er nicht finden, und schliesslich fuhr er wieder nach Stambul. Dem Kampudan Pascha meldete er: "Malta jok", d.h.: Malta gibt's nicht! Der Kapudan Pascha war sprachlos vor Wut. "Der Sultan selbst soll deine Strafe bestimmen, du Halunke!" Reitet also gleich zum Palast, der Kapitaen an einen Strick gebunden zu Fuss hinterher. Der Sultan hoert sich den Bericht an und fragt dann den Kapudan Pascha: "Und wer hat den Kerl nach Malta geschickt?"

"Herr, ich selbst, dein Knecht, bin es gewesen!" erwidert der Marineminister, sehr kleinlaut, waehrend der Kapitaen Morgenluft witterte.

"Und wer hat dich zum Kapudan Pascha ernannt?"

"Herr, durch deine ueberschwengliche Gnade und durch deine Ernennung bin ich Kapudan Pascha".

"So, so" knurrt nun der Sultan den Minister an, "soll das etwa heissen, eigentlich waere ich der Schuldige?"

"Da sei Allah vor, dessen Zorn auf mir und dem Kapitaen lastet!"

Der Sultan winkt der Leibwache, worauf die Spiesstraeger die Spiesse senken, und die Saebeltraeger die Saebel schultern. Gleichzeitig bildeten die Waechter einen Kreis um die beiden.

"So willst du behaupten, dass Allah der Schuldige ist???"

Der Sultan wendet sich an den Scheich Uel Islam und fragt:

"Hat der Kerl Allah gelaestert? Und wenn ja, was verdient er?"

"Den Tod auf alle Faelle", konnte der Grossmufti nicht umhin zu antworten.

Worauf dann derSultan befahl:

"Schmeisst die Schafskoeppe beide raus, es scheint, dass ich der Hauptschuldige bin!"

 

      "Malta jok!" ist heute noch in der Tuerkei eine kurante Redensart.

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      Ich behaupte: Ein gerechter Preis ist derjenige Preis, den die Sachen an einem wirklich freien Markt kosten. Ein wirklich freier Markt aber ist ein Markt, an dem die Nachfrage nicht - - wie bis jetzt so oft - - durch Mangel an Currency verhindert ist, in die Erscheinung zu treten, der durch Zollschranken und andere Verkehrshemmnisse nicht beeinflusst ist, und an dem jeder da kauft, wo es ihm an preiswertesten scheint, und jeder verkauft, wo er die beste Zahlung kriegt. I.J. 1914 war dieser Idealzustand nicht erreicht. Manufakturwaren kosteten im Osten viel mehr als im Westen, und Lebensmittel kosteten erheblich weniger.

 

      Da, wo gerechte Preise gezahlt werden, ist auch eine Ausbeutung unmoeglich. Waehrend also z.B. die Arbeiter fuer ihre Ware, naemlich die Arbeitskraft, vom freien Markt Unterbewertung fuerchten, ist in Wirklichkeit gerade ein Verkauf der Arbeitskraft am wirklich freien Markt das Verfahren, das die Ausbeutung sogar fuer die Lohnarbeit beseitigt. Fuer die genossenschaftlich betriebene Arbeit tritt der Vorteil noch deutlicher in Erscheinung.

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      Kann man die durch das alte Muenzgesetz festgelegte Relation:

Aus einem kg. Feingold sind 279 Zehnmarkstuecke zu praegen,

als einen festgesetzten Goldpreis bezeichnen? Ich kann das nicht finden. Angenommen, es werden neue Goldminen entdeckt, so dass hundert mal mehr Gold pro anno produziert wird wie vorher. Bleibt das Muenzgesetz unveraendert, so werden aus dem nunmehr wenig kaufkraeftigen Gold pro Kilo immer noch 279 Zehnmarkstuecke gepraegt. Die Relation

      1 Kilo Gold = 279 Zehnmarkstuecke

hat sich also nicht geandert; es war daher nicht logisch und nicht einmal sprachlich richtig, die Relation einen Goldpreis zu nennen.

Tatsaechlich taucht das Wort auch erst auf, nachdem das Papiergeld aufgekommen ist. Der Preis des Goldes, ausgedrueckt in Zwangskurs-Papiergeld, ist ein echter Preis. Abgesehen davon haben aber Goldstuecke ueberhaupt keinen Preis. Einen Preis haben auch unter der Goldwaehrung der Transport desGoldes und seine Ausmuenzung.

 

(J.Z.: Jemand schrieb hier am Rande [Traeger? Lifka? ]: "Definitionsfrage! Meine Ansicht: Der Preis des Goldes unter der Goldwaehrung misst man am Durchschnitt der Waren.") Aber, gerade unter der Goldwaehrung ist der Durchschnitt der Warenpreise nicht das Mass fuer alle Preise. Hoechstens koennte man eine oder mehrere Waren-Equivalenzen feststellen - falls man daran interessiert sein sollte.-  J.Z., 1.12.83.)

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      Zur alten Goldmark koennte man, wenn es wirklich zweckmaessig waere (worueber ich mich jetzt nicht aeussern will), von heute auf morgen zurueckkehren. Wenn der zur Zeit von den Banken geforderte Preis fuer ein 20-Mark-Stueck ein Preis des freien Marktes waere, so waere der Uebergang zur alten Goldmark in dem Augenblick vollzogen, in dem die Laeden die Preise in Goldstuecken oder Bruchteilen davon berechnen duerfen. Der Uebergang ist also noch viel einfacher, als Schacht sich die Sache i.J. 1923 vorstellte, wo er nach dem Prinzip verfuhr: warum einfach, wenn's auch kompliziert geht?

(Seinen Zweck hat der alte Fuchs aber erreicht, sogar die Professoren - - mit ruehmlicher Ausnahme Rittershausens's - - haben das Wesen der Vorgaenge von damals nicht deutlich erkannt, wovon man sich ja durch die Lektuere ihrer Schriften ueberzeugen kann. Oder wissen Sie eine Ausnahme?????)

 

Die Kinder auf der Strasse sangen i.J. 1923 wahrhaftig:

                                                "Wer hat die Mark stabil gemacht?

"Das war der Doktor Hjalmar Schacht!

Matthaeus 21, 16. ("Aus dem Munde der Unmuendigen und Saeuglinge hast du Lob zugerichtet".)

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      Wollen Sie an Ihrer Meinung, dass Preise immer nur relativ gerecht (meinten Sie nicht: naeherungsweise gerecht??) sein koennen, festhalten??

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      Silber. Ich erwarte Ihre Meinungsaeusserung, hoffentlich auch vom militaerischen Standpunkt aus begruendet. (Er erwartete, oder erhoffte, fast immer mehr als er erhielt. - J.Z., 12.11.03.)

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                             Mit bestem Gruss  Ihr gez.: U.v.Beckerath.

 

 

 

 

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First published in: Ulrich von Beckerath: Zur Freiheit, zum Frieden und zur Gerechtigkeit; Gesammelte Briefe, Papiere, Notizen, Besprechungen. PEACE PLANS 428-467 (Mikrofiche), Berrima, Australia, 1983. Pages 3394-3397.